hallo, ihr leser, ich bin ein sonett.
mein dichter sagt, ich sei die „seine“ form
und damit sei „seit damals“, was ihn rett’t
ins hinten – ehedem – statt in das vorn.
allein, was ich gesagt, sich nicht erschließt
beim lesen meiner verse ins gehör.
dahin hinaus mein alzgeheimnis schießt
und reimt, doch schwört darauf nicht, dass ich schwör’.
ich bin also ein bisschen immer lüge
im vorerst unverstand’nen einverstand.
ich breite dennoch meiner federn flügel,
auf dass mein dichter mich noch einmal lese
und korrigierte meiner küsten land
auf seiner karte, über der er schwebte.
ach, nach vier woch’n fällt das laub jetzt wirklich,
liegt leichenbunt auf allen meinen straßen,
da bin ich – solchem einerlei – versprech’ mich
und schau mich an im spiegel meiner strafen.
die leg’ ich selbst mir auf und an, gewand
der nacht, in t-shirt und der unterhose
am schreibtisch, wo mich tasten wiederfand
im denken, schreiben, fühlen, wichsen – lose.
nocheinmal diese strenge form, korsett,
verweigernd, feiert hier doch das sonett
im reimgeschwind sein fröhlich urgeständ.
als könnt’s nicht anders, leibt es noch als schaf
und hat noch vor ein zehnfach sich verschwend’,
bevor ich drüber buchgestäbe brach.
5
es muss sich so vollenden: noch die fünfte
sonettensymphonie. denn während ich
bekifft saß auf der party gestern, hüpfte
ein seifenfläschchen in die zeilenpflicht.
aus rosen wie der liebe unverstand
war es erblüht. und wie ich’s daraus goss
in meine scribble-scrabbelnd dichterhand,
war’s duftend, was aus solchem ich genoss.
es war auf der toilette eines weibchens,
wo sitzen muss der mann und nicht versprüht,
was aus ihm rinnt, dies trüb vergilbte schleichen,
das schwarz bis licht und weiß an ihr verglüht.
ich wasch’ mich, bärig bärtig in der maske,
ich weiß, dass ich bei ihr nicht lange raste.
6
am folgetag nach dieser nacht-imago
entschlüpf’ ich dem kokon als blätterfalter.
ich flüg’le kurz, dann brennend wie schiwago
an seiner lara schwerster brand-verwalter:
ein omar und sharif der antipowa.
ich träumte scharf und „om!“ von hollywoods,
von kriegen, frieden, russland und der shoa,
denn es war herbst und alle ohne schutz –
ein deutscher herbst wie sieben und auch siebzig,
ein fall wie im november neu und achtzig,
und ein vergehen wie das welke blatt,
das über straßen weht und keine ampel,
nicht ihre farben kennt, nur das gehampel,
das jedes wort, das ich gedichtet, hat.
7
auf halbzeit nun und in die blaue pause
schreibt reimend immer noch mein ich – und wischt
die wohlgefall’nen verse in die jause,
in eichenlaub und derb geschnitzten tisch.
denn ich erlaube mir noch einmal laub,
gefallenes nach frühling zu besingen.
in den gewinden meiner schrägen schraub’,
zieh’ ich register allen orgelklingens.
es wird absurd, wie das so nette kettet
den einen an den and’ren heimend vers.
es muss ein abschied sein, und der verzettelt:
hier ist der alt verweg’nen form ein herbst.
ich geb’ ihm meine blätter zum verwelken,
reim’ längst schon nicht mehr rein in solche kälten.
wie babylon gestürzt, die herrschend türme,
sah ich das einst vor 15 dieser jahren.
es war, als wär’ das ende der gewürme
aus himmlischem der heere finstrest scharen.
ich war damals auf seiten attentäter,
dem letzen allah.ruf, dem sehr verbunden.
doch wusste ich, als davon vielmehr später
die nachricht sich verdichtet und bekunden
war „ground zero“, wie ich ihn erdichtet,
ein schmerz, verheerung und das schlimme grauen.
ich wusste, wo ein schwarzes sich belichtet,
und war in babylon, im turm, vertrauen,
dass sich ein sturz und ebenso erhebt,
was stirbt, sich umso grausamst wied’ erlebt.
außer: „say goodbye to lethargy, save the world with this melody“ (bernadette la hengst)
so will ich singen, falschen vers euch dichten,
aus resten meines sangs sonett noch machen
und seiner strenge dennoch ganz verzichten,
beim dichten all dem schichten uns eins lachen.
werd’ sagen, auserzählt, euch von den versen,
von schwierigkeit, aus mir heraus zu schweigen.
ich könnte euch ja eh nichts mehr verbergen,
vielleicht, wohin sich mein gedicht würd’ weisen
und euch dahinter, traute meines lichts.
das linkt und reimt schon wieder auf „des wichts“,
gekommen wörterwelten auf den grund,
der macht sonettes reimen jetzt gesund,
und krank auch, was ich nahe des verzichts
noch bin in mitten meinem des gedichts.
„Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen, lass dir die matten Gesänge gefallen, wenn dich dein Zion mit Psalmen erhöht“ (Bach/Picander, Weihnachtsoratorium)
1 das jahr
und war es auch, das jahr zu seinem ende | nicht das beste | so sind zu solchem feste | noch nährend all die reste | was uns erbleibend bände | geretteten der seelen
2 das sinken
wer sank, sinkt noch und sänke | steht in dieser nacht doch wieder auf | denn siehe, sieht das licht | und schaut zu himmeln ’nauf | wo menschen leuchtet liebe | denn lieb’ ist | manna unsr’rer herzen | das den mensch erhält und nährt
3 das leben
und so geh’ ich aus | dem alten in das neue leben | halt’ mich tapfer | im wind der rauen nächte | fach’ ihn an und wand’re stetig | zu der strohig krippen
4 der widerstand
darin mein widerstand | heißt noch und jesu zugewandt | glaub’ und lieb’ und hoffnung | denn also hat mein gott geliebet mich mit einverstand | hat herze mein geborgen | wie du mich einst in deiner liebe | und wenn wer greint, dass ich mich bloß ergebe | entgegne ich, dass mich | freundlichkeit und zugewandt nimmer mehr wird lassen
5 die speise
die speise liegt uns vor | und schmecket uns’ren zungen | lippen sind des lobes voll | denn eingeladen sind wir | davon zu uns unseres zu nehmen | vom trank nicht minder, unsrig’ zu beseelen | am tisch gemeinsam
6 der tisch
der tisch ist uns so reich gedeckt | das heil uns hier – und | wir denken dran | dass es auch and’ren mög’ gegeben sein | die wen’ger haben | und mit uns’ren selbiges des leids
7 nachts, im bus
ich fahre heim und sehne | wo kein heim wär’ auf der ew’gen fahrt | da: der mann, verhärmt | doch hebt den finger von der rückbank | spricht und predigt | stumm noch seine hilferufe | ich hör’ sie gleichwohl wie der herr
8 das licht
es scheint als fast schon vollmond | dieser nacht uns in das herz hinein | so löst es meine fesseln | auch der dichtend form | senkt hoffnung in mein so konform | und weht mir in der regnend nacht | die tränen ins gesicht | als meine, unser aller dieser nächt’gen freude
„arm bist du nicht ohne geld, arm bist du ohne herz.“ (syrischer flüchtling)
wir alle woll’n jetzt endlich bess’res leben,
das süß’re stück vom fetten sahnekuchen.
doch dafür ist kein nehmen, sondern geben,
ein finden uns nur in dem uns jetzt suchen.
so ist mein herz ein großes, kleinem geist
und eifersüchten manchmal nur gegeben.
denn wie auch immer ihr mich nennet, leist’
ich widerstand auch solchem untergehen.
ich bin nicht arm durch den verlust, doch reicher,
weil mein herz schlägt für dich und immer euch,
es pocht gemeinsam an der pforte. leichter
wird’s mir, wenn ich gewusst, dass der verzicht
auf heimat, bergung tränen macht mir feucht
und meine zunge auch für dies’ gedicht.