Lamm auf Stamm

Es sollte ein Urlaub werden
aber niemand nahm teil
Wer jedoch kam
war eine Rotte Verrückter
die feierten fraßen
& innen wie außen
für Schrecken sorgten

Am Ende streckte sich wieder
mit reifen Flächen
& talgigem Glanz
in den freien Faszien
ein Schaf mit aufgebrochener Kehle
über einen splittrigen Stamm

Außer dem leisen Schaben
wenn der Schmerz ihm das
Fell über die Ohren zog: kein Laut
Im Telefonbuch: Kein Tierarzt
für das Ticket ins Jenseits
& mein Haar das an deinem Karo rieb
& du tatst was du konntest
& strecktest es nieder
bis der Tumult in mir schlief

Frollein Brandmeister

Keinen Plan, worum es ihm geht
aber er macht es sehr gut:
Das Sanatorium mitten im Wald
hat er zu seinem Auftrag erklärt
Zuerst das Telefon gekappt
& die Zufahrten verrammelt
Vor den Aufzügen & Treppen
mannshohe Rollen aus knisterndem Heu

Die Bäume im Umkreis von 300 Metern
großzügig mit Sprit besprenkelt
Die Wasserrohre gesprengt
Kreativ auf den Wiesen verteilt
schlummern Sprengfallen im Gras
Es geht hier weder vor noch zurück
Und sobald wir einen Durchbruch wagen
um ein paar Insassen zu retten
lauern uns hellwache Scharfschützen auf:
Pack das mal – mit 300 Irren auf dem Trail

Wir haben Glück:
Das dicke Frollein Brandmeister
hat die komplette Kiste im Griff:
Mit vier Promille & Steckschuss im Bauch
dirigiert sie das große Rettungsorchester
Der Hausmeister ist nicht in Urlaub
& weiß wo Notstrom & Wasser sind
& macht sich ohne Auftrag ans Werk

An die Verängstigten & Irren
geben wir nasse Decken aus
Noch funktionieren auch die Handys
& weil bei der Feuerwehr besetzt ist
rufe ich meine Vorgesetzte an
Mit einer Stimme wie Spätzleteig
schmiert sie mir „Feueeeweeeeh?“ ins Ohr
um augenblicklich einzupennen

Zwischen all dem Rettungschaos
ist ein Söldnertrupp im Einsatz
Er macht aus uns allen
Versehrte mit Kopfschuss
& Schiss vor der Welt
Wie treichhölzer
knicken jetzt funkensprühend
die Fichten

Sie fallen kreuz & quer um uns herum
Vorzugsweise auf Mensch & Weg
Zwischendrin ein harter Kern
aus Waldorfmüttern
katastrophengeübt & sportlich gestählt
die Kaffee kochen & Hoffnung horten
& daheim vermelden:
Heut wird es etwas später Schatz

(kattz gewidmet)

 

Vogelpresse

In frühen Zeiten
rauer als diese
machte man sich
die Art der Vögel zunutze
frühmorgens tief
über die Felder
zu streichen
die Flügelspitzen streiften
die Ähren im Flug

So kamen unsere Vorfahren her
& spannten eine Konstruktion
aus komplizierten Schnallen
Ledergürteln & Gummiband
(damit kannten sich nur
die wenigsten aus)
Des Morgens in der Früh
zogen die Dörfler aufs Land
das noch in Tau & Nebel schlief
& verzurrten die geeichte Apparatur
zwischen zwanzig zittrigen Zweigen

Hier war Spezialwissen gefragt:
Es musste unauffällig sein
(selbst die kleinste blaueste Meise
trumpft mit einem IQ von etwas
über fünfzig auf)
& dabei so wirksam
dass beim ersten Zwitschern im Wald
die Gummis von hüben & drüben schackeln
sobald sich die köstlichen kleinen Leiber
gutgelaunt ins Schussfeld wagen

Die ersten zehn Vögel
so will es der Brauch
kommen in die Vogelpresse
(man kennt sie noch aus alten Filmen)
Mit Haut & Haar & Federkleid
füllt man den Erstlingsfang hinein
bindet eine Manschette herum
& presst sie dann so zart wie fest:
die rosigen lauwarmen Tropfen
füllen kaum den halben Mund

Frösche

Mein Vater repariert das Auto
In einer schrägen Böschung
liegt er unter der Karre
den Schraubenschlüssel
in der Rechten

Howard & ich
gehen spazieren
Ich kann sehen:
sein blondes Blouson bläht
direkt neben meinen Brauen
Vielleicht bin ich
ein kleiner Junge

Er legt die Hand
in die elektrische Kuhle
knapp unter der Taille
die einen dazu bringt
das Becken zu kippen
selbst wenn mans nicht will
um Raum zu machen
für die Organe anderer

Aber hier & jetzt
liegt der Teich
gold & grün
im Sonnenlicht
Badewasser für hundert Frösche
in allen Größen & Farben
Meine Hand ist ein
feinfühliges Instrument
Sie verzeichnet ein Beben
im warmen Nass:

Ein moosiger Riesenfrosch
taucht mit U-Boot-Geblubber herauf
sperrt die zahnigen Kiefer
& ist groß wie ein Kalb
& brüllt mit tiefer Stimme
Richtung Wald

Howard ist gepackt
& geblendet
Seine gefaketen
Sprechversuchen
sollen mir zeigen
dass ihm ausnahmslos
zu trauen ist
er steht & bestaunt
das heitere Glitzern
anders als alles was er kennt

Mein Vater kommt
Aus ihm wirst du
Aus deinen Namen
wird ein Gebet
& Frösche aus Filz
schwimmen am Rand
Jedes eine bessere
Ausgabe seiner selbst
paddelt taucht & tollt herum

Ich mache meine ComicStimme
& weiß es ist blöd
aber ich mache es trotzdem
weil es passt
zum Sonnenlicht
zur heiteren Ursuppe
& zum Ende der Kindheit
wie ich sie kenne
tue ich fröhlich
& quake wild:
Die tun unsß nix
die wolln nur sß-bieln

Wallfahrt

Nach der Heiligsprechung
verziert man die grauen Flächen
klebt Glitzersteine & Blumen
& lässt das Horn wohlweislich frei
damit Glitter & Plastikpartikel
in den noch zu reißenden Wunden
nicht zu Eiterbildung führen
Die Masse wogt
& wird von einem geschmückten Nashorn
gegen die Bretterzäune gepresst

Tausende Hände recken sich
jeder will es jeder muss es
einmal in seinem Leben berühren
Flinke Augen rollen ans Ufer
der trägere Körper
schwimmt durch lauwarmen Fluten:
die hornigen Füße malmen
Zehen & Gelenk
& in heißer Verzweiflung
eine Handvoll Haut
gegen rohes Holz

Es treibt das Horn in das

Fleisch unseres Bäckers
der kann echt nix dafür
der einmal nur einmal
die schweren Rundungen tasten
& dann glücklich sterben will
Die Kurve fährt in ihn
Hebt ihn von den Füßen
Lässt ihn zerstört
& zertreten zurück
Wir sammeln ihn ein
& bahren ihn auf

Sein Leichenwagen zusammengekloppt:
klebrige Fichtenstämmchen & Stoff
Wir pflegen ein wenig an ihm herum
wohlwissend dass alles für die Katz ist
tauschen Blicke & Geraune
& sind bass erstaunt
als er die Beine vors Bett schwingt
& Schlager pfeifend die Bühne verlässt
um als erste Tat seine Frau zu enterben
& weiterzuleben
mit durchstochenem Leib
& fremdem Atem