wohin ich ging

woher ich komm’, will ich nicht hin,
auch nicht, wohin ich geh’ und ging.
ich bleibe stehen und halt’ in’
am orte, wo ich nicht mehr bin.

wohin ich streb’, ist mir entgangen,
es war mal was wie utopie,
der’n dichterwortes schweres bangen
war leicht verheißen, doch mir nie.

woher kommt’s sehnen nach dem nicht,
wohin will dieses volle herz
euch ausergießen sein gedicht,
wo wiegt es lichtend schwer wie erz?

wohin will all das traute gehen,
wem ist sein ziel einst zu ersehen?
und wo wird dem erliegen stehen
ein grab, in das wir, ach, verwehen?

(170818)

Vergieß nicht (Stunde der Mörder 4)

Wenn du dich in deine Mörder verwandelst
die keine Gelegenheitsmörder sind sondern
durch die Vielzahl ihrer Taten
aus der Masse der gewöhnlichen Mörder weit herausragen
wenn du dich über viele Monate
immer tiefer in deine herausragenden Mörder hineinverwandelst
wie sie zu denken fühlen sprechen sogar zu träumen beginnst
vergiss nicht beim Tintenvergießen zu bleiben

Ihr gehört mir (Stunde der Mörder 3)

Diese Stadt ist voller Schmerzen aus tausend Augen
starrt sie doch ihr Glas ist angstbeschlagen in ihren
Rinnen fließen Bäche der Beschämung wie lange
fleht sie schon darum zu sterben doch diese Stadt muss
leben solange ich es will sie ist mein Schmerz sie ist
meine schlimmen Träume ihre Mauern sind geborsten sie
erstickt an toten Schloten ihre schwarzen Backsteindome
sind mit Stahlskeletten zugesargt ich gehe durch den Stadtpark
Männer kriechen aus Kanälen der Stolz dieser Stadt ist gebrochen
das Rathaus gehört mir ihr alle gehört mir ich habe keine Freude
an euren Tränen euren Schmerzen eurer Angst und Beschämung
ich trinke sie um ich zu sein

Ich ersticke (Stunde der Mörder 2)

Ich kann mich nicht immer verstellen ich ersticke bin
nur ein qualmender Faden an manchen Tagen nur ein
Klumpen glimmender Träume hinter steinerner Haut dann
muss ich mich zeigen einer Frau einem Mädchen ich
suche sie sorgsam trotz bebender Eile wie meine Mutter
meine Schwestern waren so bockig so biegsam muss sie
sein ich bringe sie heim ich beichte ihr ich zeige mich ihr ich
fühle mich wieder ich kann atmen fast lachen ich ersticke sie

Immer Lucy (Stunde der Mörder 1)

Wie früher gehe ich durch fremde Städte die Sonne scheint das
asiatische Mädchen lächelt in meinem Kopf balanciere ich
die Verse zu ihr nach Hause ein Hinterhofhotel ich bin
zu alt für dich sage ich du Tiger du stark sagt Lucy ich
glaube ihr nicht mal ihren Namen ich will sie von hinten dann
kann ich auf ihren Rücken schreiben während ich in ihr bin sie
lächelt ihre Zähne schimmern als sie sich um meine Fingerkuppe
schließen das Blut spritzt auf ihren büttenbraunen Rücken stoßweise
so habe ich immer am liebsten geschrieben nur leider meist
vergessen ihre Hinterseite abzulichten die noch klebrigen Verse
auf ihren Schulterblättern bevor Lucy unter die Dusche geht